Ein ganz besonderer Garten, den wir in England besuchen durften, ist der Garten von Vita-Sackville West in Sissinghurst Castle. Sissinghurst, bekannt für seinen weißen Garten, liegt in der Grafschaft Kent etwa zwei Autostunden südwestlich von London.
Victoria (Vita) Sackville-West hatte zwei Leidenschaften: die Literatur und den Garten. Als sie und ihr Mann Harold Nicholson Sissinghurst 1930 kauften, war es heruntergekommen. Sie begannen sofort, die Gebäude und das Gelände zu renovieren und arbeiteten 30 Jahre lang an und in dem Garten. Harold war zuständig für streng geschnittene Hecken, Vita füllte Beete und Rabatten üppig mit blühenden Pflanzen.
Mit dem Beginn des zweiten Weltkriegs lebte Vita zunehmend zurückgezogen und verbrachte ihre Zeit damit, Romane und Gartenbücher zu schreiben und den prächtigen Garten anzulegen.
Nach dem Tod der berühmten Gärtnerin wurde der vier Hektar große Garten 1962 an den National Trust gegeben.*
Turm und Torhaus
Der Doppelturm, Rest eines elisabethanischen Schlosses, ist schon von weitem sichtbar.
In seiner oberen Etage liegt Vitas Schreibzimmer, in das sie sich zum Arbeiten zurückzog. Hier ist heute noch eine Sammlung privater Dinge von ihr zu sehen. Vom Turm aus hat man einen weiten Blick über die Landschaft und die Gärten von Sissinghurst.
Durch das Torhaus gelangt man zum großzügigen Hofrasen, der seitlich von üppigen Beeten eingerahmt ist. Der Weg durch das Gebäude bildet gleichzeitig eine Sichtachse, denn er führt über die Mitte des Rasens weiter durch das Tor im Turmgebäude.
Durch das Torgebäude führt der Weg mitten durch den Doppelturm. Die Symmetrie wird von hohen Formschnitteiben und Kübelpflanzen betont.
Das alte Backsteinmauerwerk ist malerisch mit Kletterrosen berankt. In den von Buchsbaumhecken gesäumten Rabatten davor blühen Prachtstauden und ihre Begleiter wie Pfingstrosen, Rittersporn und Glockenblumen:
Der Hof ist mit hohen Mauern einfasst, die den Beeten einen vor Wind und Kälte geschützten Rahmen bieten. Auch hier beranken Kletterpflanzen die Wände und üppige Stauden füllen die Beetflächen davor:
Viele Gartenräume in Sissinghurst
Die Gartenanlage besteht aus vielen verschiedenen Gartenräumen, die durch Wege verbunden sind. Als Wände wurden die alten Mauern verwendet, ergänzt durch streng in Form geschnittene Hecken. Türen und Fensteröffnungen in den Mauern unterstreichen den Zimmercharakter der einzelnen Bereiche. Sie laden ein, von einem Raum zum anderen zu schlendern und Durchblicke machen neugierig auf das, was auf der anderen Seite liegt. Die üppige Bepflanzung steht im Kontrast zu diesem geradlinigen, strengen Rahmen. Es lohnt sich, auf den Turm zu steigen und die Anlage von oben zu betrachten:
Inmitten des Rosengartens treffen sich auf einer runden, von einer hohen Eibenhecke eingefassten Rasenfläche die Wege und Sichtachsen:
Die Rosen im Rosengarten sind einmal blühende Strauchrosen, die im Juni ihren Auftritt haben. Trotzdem blüht es hier vor und nach der Rosenblüte üppig, denn ihnen wurde eine Vielfalt an begleitenden Stauden zur Seite gestellt.
Der Garten am South Cottage ist ein Bauerngarten, in dessen Mitte vier mächtige in Form geschnittene Eiben ein Wegekreuz betonen.
Diese Mauer ist mit weißem Blauregen (Wisteria) berankt. Wie schön muss es sein, wenn er im Frühling blüht! Die Mauer wird von einer Vase als Blickpunt gekrönt. Ich finde, das hat etwas Märchenhaftes.
Überall gibt es etwas zu entdecken. Ein Tor in der Mauer bietet einen romantischen Durchblick in einen anderen Gartenraum und in einer Nische in der Hecke lehnt sich eine Skulptur auf eine Säule:
Auf einem schlichten Holzregal sind verschiedene Hornveilchen aufgereiht und ein Durchgang in der Mauer macht neugierig auf das nächste Gartenzimmer:
Der Kräutergarten ist formal angelegt und wirkt mit seiner üppigen Bepflanzung sehr dekorativ. Im Zentrum zieht eine steinerne Schale mit Thymianen die Blicke auf sich.
Thymiane in verschiedenen Farben weben einen bunten Mosaikteppich in einem Kiesbeet, das Insekten anzieht:
Der weiße Garten
Nun kommen wir in den bekanntesten Teil der Gärten von Sissinghurst: Vita Sackville-Wests berühmten weißen Garten!
Hier ließ sie nur weiße Blüten zu und verwendete viele grau- oder silberlaubige Pflanzen: der Garten sollte nachts im Mondlicht leuchten. Da keine unterschiedlichen Blütenfarben als Gestaltungsmittel dienen und für Kontraste sorgen konnten, waren Formen und Strukturen um so wichtiger. Die Gärtnerin experimentierte so lange damit, bis ihr das Bild gefiel. – Mir gefiel dieser Gartenraum besonders gut. Eine Weidenblättrige Birne (Pyrus salicifolia) unterpflanzt mit weiß blühenden und silberlaubigen Stauden vor dem alten Gemäuer – was für ein romantisches Bild!
Die ungefüllte, duftende Rosa mulliganii bedeckt das riesige Rankgerüst fast vollständig und verzaubert den weißen Garten. Sie blüht im Juni und ihre Hagebutten färben sich im September/Oktober leuchtend rot.
Unter dem Zentrum des Gerüsts steht als weiterer Blickfang – so, als sei die Rose nicht schon opulent genug! – auf einem kleinen Podest eine glasierte Vase, gerahmt von kleinen Schönheiten in Töpfen:
Buchsbaumhecken rahmen die Beete:
Eine Vielfalt von weißblühenden Stauden und Pflanzen mit silbergrauen Blättern wurden hier zu hübschen Kombinationen zusammen gepflanzt. Dreiblattspiere (Gillenia trifoliata), Pfingstrose (Paeonia lactiflora) und Storchschnabel (Geranium sanguineum 'Album') (links) und Weißes Weidenröschen (Epilobium angustifolium 'Album'), Pfingstrose und Vexiernelke (Silene coronaria 'Alba' (rechts):
Schlafmohn (Papaver somniferum), Rittersporn (Delphinium), Wollziest (Stachys byzantina) und eine weiße Sorte des Kalifornischen Mohns (Eschscholzia californica):
Ach, wenn ich Fotos von dieser wunderschönen Gartenreise anschaue, bekomme ich gleich ein bisschen Fernweh!
*Quellen zur Geschichte von Sissinghurst:
"Who was Vita Sackville West?", Allison Adler-Kroll, University of Oxford, (https://www.nationaltrust.org.uk/features/who-was-vita-sackville-west)
J. Strassel, Englische Gärten des 20. Jahrhunderts, DuMont 1991
8 Kommentare
Vor 4 Jahren konnte ich diesen zauberhaften Garten besuchen und war begeistert. Leider hat Corona im vorigen Jahr einen weiteren Besuch verhindert, aber irgendwann wird es doch wieder klappen..
Hallo Sigrid,
ich fand den Garten auch ganz beeindruckend, gerade diese so unterschiedlichen Gartenzimmer! Und der Garten atmet Geschichte dadurch, dass man Vitas Schreibstube noch heute sehen kann. Ich konnte mir gut vorstellen, wie sie am Abend auf dem Weg von dort zu den Familienräumen im Torhaus durch den weißen Garten geht. Ja, leider sind so manche Reisen ins Wasser gefallen, aber ich drücke dir die Daumen, dass du die Reise dorthin bald nachholen kannst!
Liebe Grüße,
Susanna
Was für ein toller Garten, ein Traum! Und deine/eure Fotos sind ein wahrer Genuss. Da möchte man doch sofort losfahren 🙂
Darf ich fragen ob ihr die Reise selber organisiert hattet oder ob das mit einer Gruppe war?
Liebe Grüße
Gabi
Hallo Gabi,
wir haben Sissinghurst und eine Reihe anderer Gärten auf einer organisierten Garten-Busreise besucht. Der Fahrer war ausgebildeter Reiseleiter und hat unterwegs viel über England erzählt und Hermann Gröne als Gartengestalter und Kenner der englischen Gärten hat uns fachlich begleitet. Es war eine wunderschöne Reise – ja, ich könnte auch gleich wieder starten …
Liebe Grüße,
Susanna
Liebe Susanna, oh Mann, da steigt mein Fernweh nach Südengland. Allerdings nicht nach Sissinghurst, nach drei Besuchen ist es mir zu museal und statisch geworden. Leider habe ich den weißen Garten auch nie mit der Rosenblüte erlebt. Du hast eine schöne Zeit erwischt. Seit 1 Jahr schiebe ich den Post über Sissinghurst vor mir her, lach. Zuletzt war er jetzt im November geplant, aber er ist jetzt ins 1. Quartal 2022 gewandert, da werde ich Sissinghurst dann als Wiedergutmachung 4 Posts einräumen. 2 Buchrezensionen zum Thema, die Gartenhistorie und die Gartenzimmer mit dem weißen Garten als mögliche (Nicht)Farbbeet-Planung. Du siehst, ich bin nicht direkt auf Kriegsfuß mit dem Garten, aber ich denke, es gibt für mich persönlich wichtiger englische Gärten. Danke für Deine Gartenvorstellung, sie hat mich für einen Moment in den summenden Garten mit Cream-Tea zurückgebracht. LG Wurzerl
Liebe Renate,
es gibt sooo viele sehenswerte Gärten dort, da würde ich auch keinen ein viertes Mal besuchen. Es heißt ja, man gehe nie zweimal in den gleichen Garten und auch Sissinghurst wird sich bedingt verändern. Aber tatsächlich ist er ja eine Art Museum und der National Trust möchte ihn in etwa so erhalten, wie er damals angelegt wurde. Nun bin ich schon gespannt auf deine Beiträge und darauf, wie du den Garten erlebt hast!
Liebe Grüße,
Susanna
Sehr beeindruckend, dein Bericht über Sissinghurst. Auch sehr gut fotografiert. So bekommt der Leser einen guten Überblick über die Anlage. Wir waren schon zwei mal auf Gartentour in England. Leider gehörte Sissinghurst nicht zu den besichtigten Gärten. Den Garten möchte ich unbedingt noch sehen, mal gucken, was die Zeit noch bringt.
LG
Agnes
Hallo Agnes,
ich hätte auch Lust, noch weitere Gärten in England zu besuchen – hoffentlich wird das bald wieder unbeschwert möglich sein! Sissinghurst Castle ist auf jeden Fall eine Reise wert! Ich drücke dir die Daumen, dass du es bald sehen kannst!
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag und grüße dich herzlich aus meinem herbstlichen Garten,
Susanna