Schneeglöckchentage in Knechtsteden und Galanthophilie

Ihr Lieben,
wusstet ihr, dass es etwa zwanzig Arten und hunderte verschiedener Sorten von Schneeglöckchen gibt? Für einige davon zahlen Liebhaber unvorstellbare Summen. Der Boom der Schneeglöckchen in den letzten Jahren erinnert ein bisschen an die Tulpenmanie in den Niederlanden im 17. Jahrhundert, als seltene Tulpenzwiebeln so wertvoll waren wie ein kleines Haus.
Ich wollte schon lange wissen, was es mit dem Sammeln der kleinen Zwiebelblüher auf sich hat. Wir haben am vorigen Wochenende die Schneeglöckchentage in Knechtsteden besucht und dort bei den Züchtern nachgefragt.

Da ich in diesem Beitrag die Aussteller nenne, mit denen wir uns unterhalten haben, kennzeichne ich ihn aus rechtlichen Gründen als Werbung. Sie ist unbezahlt und unbeauftragt.

Die Schneeglöckchentage in Knechtsteden sind unter Pflanzenliebhabern über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Dort werden nicht nur Schneeglöckchen verkauft, sondern auch Leberblümchen, Märzenbecher und andere Frühblüher. Auf diesem Markt bekommt man besondere Sorten, die in Gartencentern und Gärtnereien kaum zu finden sind.
Die Veranstaltung gab es von 2006 bis 2018 in Nettetal am Niederrhein. Seit 2019 findet sie in Knechtsteden statt. Die Züchter kommen aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Belgien und Großbritannien.

Galantophilie
Die Leidenschaft, Schneeglöckchen zu sammeln, nennt man „Galanthophilie". Das Wort setzt sich zusammen aus dem Anfang des botanischen Namens für die Gattung der Schneeglöckchen Galanthus und der Endung „-philie". Sie kommt von dem altgriechischen „philia" (Freundschaft) oder „philos" (Freund) und bezeichnet die Liebe zu bestimmten Dingen. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/-philie)

‚Funny Justine‘

Cathy Portier betreibt zusammen mit ihrem Mann die Alpenplantenquerkerij (Alpenpflanzengärtnerei) im belgischen Brügge. Sie sind beide galanthophil und führen die Gärtnerei der Eltern von Cathy weiter. Wir haben sie gefragt, welche ihre liebste Sorte ist. Sie antwortete ganz spontan: „’Funny Justine'"! Ihr Mann hat diese Sorte im Garten seiner Eltern gefunden. 'Funny Justine' ist ein lustiges Schneeglöckchen: Der Blütenstiel ist so kurz, dass es seine Blüten aufrecht nach oben hält. Ihre Tochter Justine war damals noch klein und ein lustiges kleines Mädchen. So bekam sie eine eigens nach ihr benannte Sorte und darüber freut sie sich sehr.

Vor lauter Erzählen haben wir dann vergessen, ein Foto von diesem Schneeglöckchen zu machen! Abgelichtet haben wir 'Primrose Warburg' (26 Euro) mit gelben Markierungen auf den inneren Blütenblättern und gelbem Fruchtknoten und 'Starling' (30 Euro), ein halbgefülltes Schneeglöckchen mit langen äußeren Blütenblättern (zoomt gerne mal rein):

Die Gärtnerei lädt dazu ein, in ihrem Schaugarten bei den Schneeglöckchen-Wochenendspaziergängen die über 400 verschiedenen Sneeuwklokjes anzuschauen, wie sie in Belgien heißen, die dort ausgepflanzt und mit anderen Frühlingspflanzen kombiniert sind.

Kann man bei all den vielen Schneeglöckchen-Sorten eine erkennen?

Die nächsten Schneeglöckchen finden wir am Stand der Gärtnerei Staudenfan von Adrian Hülsewede und Christian Wever, die in Düsseldorf mit Leidenschaft eine Raritäten-Gärtnerei betreiben. Sie kultivieren ihre Pflanzen für Sammler, die das Besondere suchen.
Ich frage Herrn Wever nach seinem Liebling. Das sei schwer bei so vielen Sorten, erwidert er nachdenklich. Aber dann leuchten seine Augen und er nennt uns eines, das er an einem Hang in einem Garten unter verwilderten Schneeglöckchen entdeckt hat. Ein ganz grünes: 'Late Green', das aber jetzt noch nicht blüht. Oder 'Walnut': es blüht schon früh ab Januar, ist eine elegante gute Gartensorte, steht aufrecht und wächst gut. Der aufrechte Wuchs sei wichtig: manche Auslesen lassen die Blüten bis auf den Boden hängen. Dann sind sie schlecht zu sehen und werden vom Regen schnell schmutzig.

Ich möchte wissen, was eine gute Sorte ausmacht. „Sie braucht etwas Eigenes", sagt Christian Wever, „an dem man sie erkennen kann." Als Beispiel nennt der promovierte Biologe die Sorte 'E.A. Bowles'. Sie stammt aus der Krimregion, hat besonders breite Blätter und reinweiße bauchige Blüten.

Ob er in einem fremden Garten denn Sorten erkennen kann, frage ich erstaunt. „Natürlich!", strahlt er. Viele Sorten sind unverkennbar. Es gibt welche mit gefüllten Blüten, mit ganz unterschiedlichen Farbmarkierungen in Gelb oder Grün oder mit einer besonderen Form der Blütenblätter.

Was begeistert ihn noch an Schneeglöckchen? Sie blühen im Winter fast als einzige und man hat Zeit, sich intensiv mit ihnen zu beschäftigen, sich ihnen ganz zu widmen und alle Details zu bewundern.
Ich merke jetzt schon, wie sich mein Blick auf die kleinen Pflänzchen verändert! Die Blüten von 'Veronica Cross' erinnern mich an kleine ausgestellte Röckchen:

Die Sortenbeschreibungen an diesem Stand lesen sich schon toll, darum zeige ich euch noch ein weiteres: 'Gerard Parker':

Virescent, poculiform und Freakys

Die gleiche Begeisterung spüre ich bei Gerhard Raschun aus Maria Rain in Österreich. Er weiht uns in die Fachsprache der Kenner ein.

Ich frage ihn nach einem Schneeglöckchen mit ganz kurzer niedlicher Blüte. „Das ist ein i-poc!" Er sieht sofort, dass ich nur Bahnhof verstehe. Während gewöhnliche Schneeglöckchen drei lange und drei kurze Blütenblätter haben, sind bei poculiformen Sorten alle Blütenblätter gleich lang und bei invers poculiformen (kurz. i-poc) alle Blätter gleich kurz. Die Bezeichnung leitet sich vom Lateinischen Wort „poculus" (Kelch) ab, denn die Blüten mit gleich langen Blütenblättern sehen aus wie ein umgedrehter Kelch. In der Szene weiß jeder sofort, was gemeint ist!

Beim Sammeln geht es nicht nur um Ästhetik, sondern auch um die Seltenheit. Gelbe Schneeglöckchen sind rar. Je gelber die Blüte und das Blatt, desto begehrter ist eine Sorte. Auch Pflanzen, die grünliche äußere Blütenblätter haben, sind selten. Man nennt sie virescent (vom Lateinischen virescere – grün werden). Je größer der Grünanteil, desto wertvoller. Die Sorte 'Green Mile' haben wir für 250 Euro gesehen:

Sorten mit gelber Apicalzeichnung (Zeichnung an der Spitze der inneren Blütenblätter) wie die 'Blonde Inge' sind sehr selten und darum auch besonders begehrt. Als 1977 das erste Schneeglöckchen mit diesen gelben Malen und einem grünen Fruchtknoten auf einem Friedhof in der Nähe von Köln entdeckt wurde, war das eine Sensation.

Herrn Raschuns Kollege am Stand wirft ein, dass es auch noch „Freakys“ gibt. „Das schwante mir schon, abgefahrene Sammler", denke ich mir. Aber nein, das sind missförmige Schneeglöckchen wie zum Beispiel der Dreisporn oder Dreizack, bei dem die inneren Blütenblätter fehlen und nur die drei äußeren vorhanden sind. Manche Sammler suchen nur diese!

Nun erfahren wir, dass Herr Raschun Gärtner aus Berufung, aber nicht Gärtner von Beruf ist. Mit dem Gärtnern hat er schon mit 20 Jahren angefangen, aber es soll nie sein Lebensunterhalt werden: ihm würde sonst der Bezug zur Pflanze verloren gehen, sagt er. Im Hauptberuf arbeitet er in der Qualitätssicherung in einem Krankenhaus. Seine Gärtnerei „In Vitro Orchids", in der er unter anderem besondere Orchideen, Leberblümchen und fleischfressende Pflanzen züchtet, ist seine Leidenschaft.

Joe Sharman alias Mr. Snowdrop

Am Stand der Monksilver Nursery von Joe Sharman, die in der Nähe von Cambridge im Süden Englands liegt, treffen wir zuerst einen seiner Mitarbeiter, der am Stand aushilft. Sein liebstes Schneeglöckchen ist 'Anne of Gayerstein', eine in England entdeckte Sorte. Sie fühlt sich an ihrem Platz in seinem Garten wohl und hat schon eine schöne Gruppe gebildet. Nun kommt der junge Mann ins Schwärmen und beschreibt das Pflänzchen wie ein Sommelier einen guten Tropfen: Sie hat eine schöne bauchige Blütenform und eine kräftige Substanz. Die Proportionen sind ausgewogen: sie ist nicht wuchtig, macht aber trotzdem viel her.

Wenn eine Auslese besondere Merkmale hat, wie eine ansprechende Statur, ein besonderes Farbmuster, eine interessante Blütezeit, wird sie vermehrt, erfahren wir hier. Das ist aufwändig und es dauert Jahre, bis man eine größere Stückzahl herangezogen hat. Wenn die Nachfrage nach einer Sorte größer wird, wird sie mit der Zeit günstiger. Wenn ihr euch also heute in eine ach so hübsche Schönheit verliebt und euch 120 Euro doch zu teuer sind, wartet ab, vielleicht ist sie in zwanzig Jahren erschwinglicher. Denn je neuer eine Sorte ist, desto teurer ist sie.

Nun kommt tatsächlich Joe Sharman dazu, Mr. Snowdrop, der englische Schneeglöckchenpapst persönlich!
Der gelernte Gärtner hat seine Gärtnerei Monksilver Nursery 1989 eröffnet. Als seine Mutter ein gelbes Schneeglöckchen entdeckte, nahm er sich dessen an. Er spezialisierte sich schließlich auf besondere Sorten und machte sie einem breiteren Publikum in der Gartenwelt bekannt. Damit hatte er großen Anteil am Boom der kleinen Zwiebeln und heute öffnen in England von Januar bis März im ganzen Land Schneeglöckchengärten, um ihre Schätze zu zeigen. Inzwischen breitet sich das Fieber in ganz Europa aus.
Sein erstes gelbes Schneeglöckchen erzielte 2011 einen Preis von 747 £. Den übertraf er 2022, als er eines für 1850 £ verkaufte!

Welches Schneeglöckchen ist sein liebstes? „Ich habe jeden Tag einen anderen Liebling", sagt er schmunzelnd. „Es ist unfair, ein Kind mehr zu lieben als das andere. Sie würden eifersüchtig, deshalb sage ich jedem, dass ich es liebe!" Dann gibt er aber doch eine Empfehlung 'E.A. Bowles': „Es sticht heraus!"

Und nun wird es ein bisschen politisch, denn der Brexit macht es ihm als kleinem Betrieb genauso wie anderen Betrieben schwer. Er verkauft seit 1988 erfolgreich auf dieser Veranstaltung und hat gute Kontakte und Kunden in Holland, Belgien und Deutschland, die er gerne fortsetzen möchte. Der Export von Pflanzen aus Großbritannien ist wegen der strengen Auflagen jedoch aufwändig und teuer geworden. Er hat das kommen sehen, vor dem Austritt aus der EU Land in Deutschland gepachtet und einen Teil seiner Pflanzen hierher gebracht. Nun pendelt er zwischen zwei Betrieben.

Tipp:
Wenn ihr nun neugierig geworden seid (oder schon ein bisschen mit der Galanthophilie infiziert) und nicht in Knechtsteden wart:
An diesem Wochenende, 24. und 25. Februar 2024 gibt es Schneeglöckchentage im Luisenpark in Mannheim.
Neu sind die Schneeglöckchentage am Kiekeberg in Hamburg am 2. und 3. März 2024 .

Herzlichen Dank an die Aussteller, die sich so viel Zeit für uns genommen haben und uns das Fenster zur ihrer Welt der Schneeglöckchen geöffnet haben!

In jedem Gespräch die gleiche Begeisterung, ein Leuchten von innen heraus, wenn die Aussteller über ihre Pflanzen sprechen!
Nun kann ich sie verstehen, die Galanthophilen … und warum manche sie „Schneeglückchen" nennen! Vielleicht hätte ich es doch mal mit der ein oder anderen (nicht gar so teuren) Sorte versuchen sollen? Vielleicht beim nächsten Frühlingsblühermarkt …
Wie immer freue ich mich, wenn ihr euch die Zeit nehmt, mir einen Kommentar zu hinterlassen. Habt ein wunderschönes Wochenende, herzliche Grüße
Susanna