Gartenreise England: Balmoral Cottage

Ihr Lieben,
Ende Mai habe ich euch den ersten Garten gezeigt, den wir auf unserer Englandreise gesehen haben: den Garten von Doddington Place. Am selben Tag haben wir auch Balmoral Cottage besucht. Es war ähnlich trüb wie es hier in den letzen Tagen war, was die Stimmung in der Gruppe aber nicht beeinträchtigt hat. Ich freue mich, wenn ihr mich durch diesen außergewöhnlichen Garten begleitet.

Charlotte und Donald Molesworth kamen vor vierzig Jahren mit zwei Hunden, einem Hahn und ein paar Hühnern hier an und der Garten war vollkommen vernachlässigt. Sie hatten wenig Geld, erzählt uns Donald, der uns über das Grundstück führt. Seine Frau hat sich zur Hochzeit nicht etwa Geschirr gewünscht, sondern vor allem bewurzelte Stecklinge von Eiben. Sie pflanzten sie in Reihen und daraus entstand das Rückgrat ihres Gartens: die heute hohen Eibenhecken. Alle Pflanzen im Garten sind mit viel Liebe selbst gezogen.
Der Garten ist etwa 4000 qm groß und liegt in Benenden in Kent.

Das Cottage war früher das Gärtnerhaus des Anwesens "The Grange", das dem Pflanzensammler und Ornithologen Collingwood Ingram gehörte. Er brachte aus Japan Edelreiser von Zierkirschen mit nach England und veredelte sie auf Vogelkirschen (Prunus avium). Nachdem in Japan eine der Kirschenarten ausgestorben war, brachte er einige seiner Pflanzen dorthin zurück, um sie wieder dort anzusiedeln. Wegen dieser intensiven Arbeit mit den Kirschen bekam er den Spitznamen Collingwood "Cherry" Ingram. *
Noch heute blühen im Frühling viele seiner Zierkirschen auf dem Grundstück von Balmoral Cottage.

Im Rahmen des National Garden Scheme (NGS) öffnen mehrere tausend private Gärten in England, Wales, Nordirland und auf den Kanalinseln ihre Pforten für Besucher. Sie sind in einem jährlich erscheinenden gelben Buch "The Garden Visitor’s Handbook" verzeichnet. Die Besitzer erheben ein Eintrittsgeld, bieten Tee und Kuchen an und lassen den Erlös der Organisation zukommen, die damit hohe Einnahmen für wohltätige Zwecke erzielt.** Auch Balmoral Cottage ist in diesem Katalog zu finden.

Leider müsst ihr euch etwas gedulden: nach dem Motto "Das beste kommt zum Schluss" sehen wir auf unserer Führung den formalen Teil mit den berühmten Formschnittfiguren zuletzt. Wir beginnen die Runde im Gemüsegarten. Hier haben die Molesworthes früher das Gemüse für ihre Feriengäste angebaut. Heute ist ihnen das zu viel und die Besucher müssen sich selbst verpflegen. Nun gibt es hier überwiegend Schnittblumen, mit denen die Ferienwohnung verschönert wird.
Es blühten gerade vor allem weißer Fingerhut, weiße Sterndolden (Astrantia major) und Zierlauch.

Von dort gelangen wir in einen kleinen Garten-Vorraum mit viel Gelb von Wolfsmilch, Syrischem Brandkraut (Phlomis russeliana) und anderen Stauden. Leider war es so eng, dass wir kaum fotografieren konnten, ohne Menschen auf den Aufnahmen zu haben. Im Hintergrund ist ein weißbunter Buchsbaum (Buxus sempervirens 'Elegantissima') zu sehen. Er hat nicht nur auffällige Blätter, er wächst auch sehr langsam, sodass er die Form nach dem Schnitt lange behält und dadurch relativ pflegeleicht ist.

Im schmalen Durchgang zum hinteren Garten begegnen uns die ersten Formschnittfiguren, die in liebevoller Handarbeit gezogen und immer wieder akkurat geschnitten wurden. Im Vordergrund ein kleiner Pfau auf einer Kugel aus Buchsbaum, im Hintergrund ein in Etagen geschnittener Weißdorn:

Zum Cottage gehört dieses kleine Ferienhaus. In der ausgebauten Scheune können zwei Personen wohnen und jederzeit den Garten genießen. Es war früher einmal das Gartenhaus von Cherry Ingram, in dem er unter anderem die Kirschen veredelte.

Hecken und Formschnittgehölze

Nun eröffnen sich immer wieder neue Sichtachsen, die uns nahezu magisch den Weg entlang ziehen, um das Grundstück weiter zu erkunden. Die Hecken unterteilen den Garten in verschiedene Bereiche mit unterschiedlichen Stimmungen. Gleichzeitig schützen sie vor Wind und bieten vielen Vögeln Unterschlupf. Die Tierwelt liegt Charlotte besonders am Herzen.

Durch die hohen Hecken wirkt der Garten romantisch und verwunschen und in den schmalen Wegen kann man sich verlieren. Balmoral Cottage erinnerte es mich an das Buch "The Secret Garden" von Frances Hodgson Burnett, in dem ein Mädchen einen verwilderten geheimen Garten entdeckt und mit zwei Freunden zu neuem Leben erweckt.

Der weißbunte Schwarze Holunder (Sambucus nigra) 'Pulverulenta' mit ebenfalls weißen Blüten fällt unterwegs ins Auge:

Charlotte Molesworth hat Kunst studiert, als Kunstlehrerin gearbeitet und sie malt und zeichnet. Sie hat ihre künstlerische Ader aber auch beim Anlegen ihres Gartens und dem Kreieren der Formschnittfiguren ausgelebt, die ihn prägen. Sie arbeitet gern draußen und lässt sich von der Natur rund ums Haus zu ihren Bildern inspirieren.

Staudenbeete

Anfangs hat Charlotte Beete zwischen den Hecken aus Eibe und Buchsbaum angelegt und sie mit Cottagegartenstauden bepflanzt. Inzwischen nehmen die Gehölze viel Raum ein und man findet keine ausgedehnte Staudenbeete mehr in ihrem Garten. Hier und da gibt es dennoch an den Wegen Gruppen von blühenden Pflanzen. Wiesen-Iris (Iris sibirica) und Sterndolde (Astrantia major) kuscheln sich zusammen ins Beet …

… und weißer Storchschnabel und dunkelrote Wolfsmilch stehen neben Elfenblumen (Epimedium):

Das bläuliche Blattwerk einer Wiesenraute (Thalictrum) passt zur blauen Wiesen-Iris:

Auch ohne viele Blüten ergibt sich durch die verschiedenen Blattfarben der Gehölze ein abwechslungsreiches Bild:

Einer dieser Wege erweitert sich und wir stehen auf einer Art Lichtung, die von einem kleinen Mixed Border eingefasst ist.

Roter Perückenstrauch (Cotinus coggygria) und die zweijährige gelbgrüne Gelbdolde (Smyrnium perfoliatum) bilden einen hübschen Farbkontrast.

Unter einem Baum versteckt sich ein kleiner Sitzplatz – soweit abseits, dass hier bestimmt niemand gestört wird, der ganz in Ruhe den Garten betrachten möchte.

Gegenüber gibt es einen Grillplatz, wo man ein zünftiges Feuer machen kann:

Wieder gehen wir zwischen Hecken hindurch und etwas weiter endet die grüne Wand und gibt den Blick frei …

… auf eine große wilde Wiese mit einem Teich (am rechten Bildrand unten), der sich jetzt durch den Bewuchs nur erahnen lässt:

Wie aus dem Nichts erhebt sich hier ein Kunstwerk aus dem Wasser:

Noch ein Blick zurück in einen der Wege:

In unserem Garten werden neun von zehn Zwiebeln des Bulgarischen Honig-Lauchs (Allium siculum) gefressen. Hier verwildert er einfach so!

Ein riesiger Vogel bewacht die Wiese. Rechts seht ihr Donald Molesworth im Gespräch mit einem Teil der Gruppe:

Wir kommen nun an eine weitere Wiese, in die Donald mit Hilfe einer Schnur eine Spirale als dekoratives Element hinein gemäht hat – einfach, weil es schön aussieht:

Der Lack ist ab: Die Möbel haben schon bessere Zeiten gesehen, aber die Sitzgruppe wirkt wie ein Kunstwerk. Der Tisch ist mit Blumen geschmückt, so als würden Gäste zum Essen erwartet.

Wir sind inzwischen auf der Rückseite des Wohnhauses angekommen. Ein märchenhaftes Gartenhäuschen versteckt sich zwischen den Gehölzen.

Den Giebel hat Donald mit ineinander verschlungenen Eichenästen geschmückt, die auf den ersten Blick wie Hirschgeweihe aussehen. Die Türen stammen aus einem alten Gewächshaus. So ein einladender Platz! Ich würde die Türen weit öffnen und es mir hier mit einer Tasse Tee und einem guten Buch gemütlich machen.

Auf der Fensterbank sind Porzellanfiguren und kleine Vasen in kräftigen Farben zu sehen:

Am Haus wachsen imposante Wolfsmilchhorste:

Die alten Gebäude aus Backstein versprühen ländlichen Charme.

Mir gefallen die Schornsteine in England:

Geschützt unter einer Korkenzieher-Hasel (Corylus avellana 'Contorta') gibt es einen weiteren schlichten Sitzplatz. Hier beginnt nun der formaler Teil des Gartens, den wir bisher umrundet haben.

Nun gelangen wir an eine Tafel, von der aus …

… der Blick über die vielen liebevoll geschnittenen Gehölze schweifen kann. Immer wieder entdeckt man neue kreativ gestaltete Formen und man fragt sich, wie viele Stunden ihres Lebens Charlotte und Donald wohl allein mit der Schere in der Hand verbracht haben, um sie heranzuziehen und so akkurat in Form zu halten!

Viele der Materialien und Gegenstände auf dem Grundstück kommen von einem Wertstoffhof oder wurden für wenig Geld erstanden. Zum Einen, weil es günstig ist, zum Anderen aber, weil sie so ein zweites Leben bekommen. Die Schieferplatte auf dem Tisch war einmal Teil des Fußbodens in einem Stall und die Ziegel, mit denen einer der Sitzplätze gepflastert ist, stammen aus einem Abbruchhaus. Charlotte und Donald ist es wichtig, nachhaltig zu leben und möglichst wenig wegzuwerfen.

Alte Balken wurden als Tischbeine verwendet. Kleinere Gehölze mit unterschiedlichen Blattfarben und Texturen rahmen den Platz.

Die Rose darf durch den "Hut" des Lorbeers wachsen. Mich hat es ein bisschen an Ascot erinnert, wo der Kopfputz vieler Damen auffällig verziert ist …

Gartendekorationen

In einem Garten mit so vielen lebenden Skulpturen braucht man keine weitere Deko. Die Sitzplätze sind einfach gehalten und ich finde, das passt wunderbar in diese Umgebung. Nur hier und da entdeckt man Kleinigkeiten, die gar nicht erst versuchen, den Figuren die Schau zu stehlen. Auf dem Tisch an der Hauswand liegen einfach ein paar hübsche mit Flechten bewachsene Äste:

Wenige kleine Gefäße mit Sukkulenten stehen wie zufällig da …

… und Glasballon und -glocke verstecken sich fast auf der schmalen Bank am Schuppen.

In einem kleinen Gewächshaus, einem sogenannten "Lean-to", das sich an die Wand eines Schuppens lehnt, steht Charlottes Sammlung aus Geranien und Sukkulenten, die sie in den verschiedensten kleinen Tontöpfen kultiviert.

Weitere Impressionen

Weil es wieder einmal schwierig ist, Bilder auszusortieren, habe ich zum Schluss noch einige Impressionen von den Formschnittfiguren für euch. Die Eibenskulpturen sehen soooo ebenmäßig aus!

Solltet ihr in die Gegend kommen und den Garten besuchen wollen, findet ihr hier die Adresse: https://ngs.org.uk/gardens/balmoral-cottage-tn17/ . Um das Ferienhäuschen zu buchen, könnt ihr hier mit Charlotte Kontakt aufnehmen: thepottingshedholidaylet@gmail.com.

Weitere Artikel zu dieser Gartenreise findet ihr hier:
Gartenreise England: Doddington Place
Gartenreise England: Chelsea Flower Show Teil 1
Gartenreise England: Chelsea Flower Show Teil 2

Quellen:
* https://artgardenthree.weebly.com/
** https://ngs.org.uk/who-we-are/who-we-are-and-what-we-do/

Wie immer freue ich mich, wenn ihr euch die Zeit nehmt, mir unten einen Kommentar zu hinterlassen.
Ich wünsche euch einen schönen Feiertag, ein wunderschönes Wochenende und einen guten Start in den November mit hoffentlich noch ein paar schönen Gartentagen.
Herzliche Grüße
Susanna